Mittwoch, 13. April 2016

Schmiergelder im Ausschreibungsprozess von Belo Monte

Präsidentin Dilma Rousseff 2014 beim offiziellen Besuch der Baustelle von "Belo Monte". Foto: Sala de Imprensa, CC BY-NC 2.0.
Blickpunkt Lateinamerika, 12.4.2016
Schmiergeld-Gau bei Mega-Staudamm Belo Monte
Der Staudamm Belo Monte geht ans Netz. Jahrelang hatten Umweltschützer gegen das Mega-Projekt protestiert. Jetzt könnten neue Enthüllungen über Mauscheleien bei der Finanzierung Präsidentin Rousseff das Amt kosten.

Es hätte eigentlich eine gute Nachricht für die von Korruptionsskandalen gebeutelte brasilianische Regierung sein sollen. Nach sechs Jahren Bauzeit geht Belo Monte, der drittgrößte Staudamm der Welt und Vorzeigeprojekt von Präsidentin Dilma Rousseff, in diesen Tagen stufenweise ans Netz. Neue Enthüllungen um millionenschwere Schmiergeldzahlungen bringen Rousseff nun jedoch in Erklärungsnot. Die Präsidentin steckt ohnehin gerade mitten in einem Amtsenthebungsverfahren.

Jahrelang hatten Umweltschützer, allen voran der österreichische Amazonas-Bischof Erwin Kräutler, gegen die Aufstauung des Xingu-Flusses in Ost-Amazonien gekämpft. Dank zahlreicher juristischer Schritte konnte die Inbetriebnahme so um rund ein Jahr verzögert werden. Doch im Februar starteten die ersten Turbinen schließlich ihren Testlauf, Anfang April begann der Betreiber damit, Strom in das nationale Leitungsnetz einzuspeisen. Nun sollen im Zwei-Monats-Rhythmus nach und nach alle Turbinen angeworfen werden, bis im Jahr 2019 die maximale Kapazität von 11.233 Megawatt erreicht wird.

Staudamm für den Umweltschutz

Das Projekt wird von der Regierung als Beitrag zum Umweltschutz gepriesen. Eine Position, die Bischof Kräutler stets heftig kritisierte. "Was ist daran saubere Energie, wenn dort ganze Völker draufgehen?" Rund 500 Quadratkilometer Urwald werden durch den Damm überflutet, auch Indigenen-Gebiete sind bedroht. Rund 40.000 Indigene verlieren ihre Heimat. Zahlreiche Sozialauflagen, die die ökologischen und sozialen Folgen des Projektes abfedern sollen, sind von den Betreibern immer noch nicht umgesetzt worden.

Dass Belo Monte trotzdem ans Netz gehen darf, ist für die Umweltaktivisten der Beweis, dass sich die Regierung Rousseff bei der Umsetzung ihres Entwicklungsplanes für die Amazonasregion nicht um die Belange der dort lebenden Menschen schert. Immer wieder hatten sie auf die in der Verfassung vorgesehenen öffentlichen Anhörungen der Bewohner bestanden. Doch Regierung und Betreiber ließen sich nicht dazu bewegen.

Schmiergelder für Regierungsparteien

Nun beschert Belo Monte zur Abwechslung auch der Regierung in Brasilia Unbehagen. Schmiergelder in Höhe von 150 Millionen Reais, rund 40 Millionen Euro, sollen die beiden Regierungsparteien PT und PMDB insgesamt im Ausschreibungsprozess von den Betreibern erhalten haben. Dies erklärten Manager der betroffenen Baufirmen in Kronzeugenaussagen. Gegen die Unternehmer wird im Rahmen des Korruptionsskandals um den halbstaatlichen Energieriesen Petrobras ermittelt.

Das Schmiergeld, das ein Prozent der ursprünglichen Projektsumme von 15 Milliarden Reais ausmacht, soll zu gleichen Teilen, also je 75 Millionen Reais, an die PMDB von Vize-Präsident Michel Temer und an Rousseffs Arbeiterpartei PT verteilt worden sein. Pikant: Teile der Summe wurden in Form von Wahlkampfspenden an die PT weitergereicht, etwa für Rousseffs ersten Präsidentschaftswahlkampf 2010 sowie ihre Wiederwahl Ende 2014.

Legal verbuchte Spenden

Die PT beeilte sich zu betonen, dass die Spenden legal verbucht worden seien; dass die Gelder eventuell aus illegalen Quellen stammten, sei nicht bekannt gewesen. Sollte jedoch bewiesen werden, dass Rousseff oder ihre Wahlkampfleitung Bescheid wusste, könnte dies sie und Vize Temer das Amt kosten. Brasiliens Oberstes Wahlgericht TSE hat bereits ein Verfahren gegen das damalige Kandidatenpaar Rousseff-Temer eröffnet. Zwar gab das Gericht zuletzt an, erst 2017 zu einer Entscheidung zu kommen. Die jüngsten Kronzeugenaussagen könnten dem Prozess aber neuen Schwung geben.

Fraglich ist indes, ob ein Prozess gegen Rousseff überhaupt noch nötig sein wird. Derzeit berät der Kongress über ihre Amtsenthebung. Sie soll 2015 gegen Haushaltsgesetze verstoßen haben. Vize Temer und seine PMDB-Partei haben bereits die Regierung verlassen. Ohne sie könnten Rousseff die nötigen Stimmen fehlen, um ihre Amtsenthebung zu verhindern. Bereits Anfang Mai könnte so ihr Vize Temer die Amtsgeschäfte übernehmen.