Montag, 20. Juli 2015

Munduruku setzen eigene Demarkierung ihres Landes fort


IV. Erklärung der Munduruku zur eigenen Demarkierung ihres Gebiets*

Wir, Munduruku vom Ober- und Mittellauf des Rio Tapajós im Amazonasgebiet, setzen die zweite Phase der Demarkierung des Gebiets IPI WUYXI IBUYXIM IKUKAP- DAJE KAPAP EYPI fort.

In fünf Tagen im Wald haben wir sechs Demarkierungspunkte gesetzt und dabei die Spuren der Zerstörung mit eigenen Augen gesehen. Diebische Eindringlinge waren in unser Gebiet am Werk: Holz- und Palmfäller sowie Landräuber.

Wir folgten den Spuren der Holzfäller. Bereits am zweiten Tag hatten wir Schwierigkeiten Nahrung zu finden. Das letzte Wild hatten wir vor zwei Tagen gesehen. Wir wissen, dass die Wildtiere überall dort verschwinden, wo Getöse von Traktoren und Motorsäge ist und wo Menschen auftauchen. Diese Tiere ertragen den Geruch dieser Menschen nicht. Wir schreiben dies, weil wir es selbst bei der Demarkierung unserer Gebiete beobachtet haben.

Als wir den Spuren der Holzfäller folgten, stießen wir auf einen Pfad und eine Brücke, die sie gebaut hatten, um das Holz und die Açaí-Palmen abzutransportieren. Wir sahen auch, dass sie Felder angelegt haben. Und eine Straße, um Holz und Palmherzen abzutransportieren. Wir haben jetzt bei der Demarkierung unseres Territoriums festgestellt, dass sich das auf unserem Land befindet.

Wir sehen hier die Zerstörung, die die Menschen in den Beständen der Açaí-Palmen angerichtet haben. Alles fängt mit den Holzfällern an. Sie schlagen eine Schneise in den Wald und die Palmschneider folgen ihnen und zerstören die Açaí-Bestände. Wir haben dieses Açaí-Gebiet geschützt, um die Früchte für unsere Enkelkinder zu ernten. Wir sehen, dass uns fast nichts von unserem Land geblieben ist. Hier ernten wir die Früchte, um Saft für unsere Kinder zu machen. Doch stattdessen fanden wir nur Zerstörung vor. Wir sagen immer, dass den pariwat (Weißen) der Respekt vor diesen Dingen fehlt.

Wir demarkieren unser Land selbst, weil die pariwat die Bäume zerstören. Wir machen das nicht. Die brasilianische Bundesregierung und die pariwat wollen nur zerstören, wir wollen bewahren und schützen. Warum tun wir das? Weil uns dieses Land vom Kämpfer Karosakaybu gegeben wurde. Das Land ist unsere Mutter, wir brauchen dieses Land, es ernährt uns und hier können wir nach den Traditionen unserer Kultur leben.

Daje Kapap Eypi ist ein heiliger Ort für alle Munduruku vom Oberlauf und vom Mittellauf des Rio Tapajós. Wir müssen unsere Natur, unsere Flüsse, unsere Tiere und unsere Früchte schützen, die uns Karosakaybu geschenkt hat.

Mit der Demarkierung wollen wir zeigen, dass dieses Land uns gehört, damit es der weiße Mann als solches respektiert. Wir wollen in unseren Gebieten selbstbestimmt leben. Wir wollen als Indigene die Aufseher und Beschützer dieses Gebiets sein, wie wir es schon immer waren.

Wir werden weiterhin unser Territorium demarkieren und wir wissen nicht, was wir noch finden werden...

Sawe!

Aldeia Sawre Muybu, 11. Juli 2015

* Die indigene Bevölkerung Brasiliens hat das in der Verfassung festgehaltene Recht, dass ihr Land von der Regierung demarkiert und geschützt wird. Die Regierung kommt diesem Recht nicht nach, sodass die Munduruku begonnen haben, ihr Gebiet selbst zu demarkieren, um es vor Raubbau zu schützen.

Quelle: Autodemarcação no Tapajós


Hintergrund:

Im Oktober 2014 begannen die Munduruku selbst mit der Demarkierung ihres indigenen Landes (TI) Sawré Muybu am rechten Ufer des Rio Tapajós, einem Nebenfluss des Amazonas, im brasilianischen Amazonasgebiet [1]. Obwohl das angestammte Gebiet der Munduruku bereits durch die Fundação Nacional do Índio (auf Deutsch Nationale Stiftung der Indigenen, Funai) anerkannt wurde, die das Dokument, das das indigene Land kennzeichnet und die Grenzen festlegt, bereits im Jahr 2013 fertiggestellt hatte [2], ist das Verfahren zum Gebiet Sawré Muybu nicht weitergeführt worden. Nicht einmal die Anordnung brasilianischer Gerichte, die Demarkierung des Gebiets wiederaufzunehmen, reichten aus, um das Verfahren wieder in Gang zu bringen und den Munduruku das in der Verfassung zugesicherte Recht über ihr Land zu garantieren [3]. Der Grund dafür: Die brasilianische Regierung will um jeden Preis im gesamten Tapajós-Becken ein riesiges Wasserkraftwerk errichten, das auch eine Anlage im indigen Land Sawré Muybu vorsieht. Im September 2014 hat die damalige Präsidentin der Funai Maria Augusta Assirati den Munduruku gegenüber zugegeben, dass dies der eigentliche Grund für die Einstellung des Verfahrens gewesen sei [4].

Die Munduruku kannten nun die politischen Hintergründe und wollten nicht mehr darauf warten, bis die brasilianische Regierung endlich ihren Pflichten nachkommt. Außerdem waren sie besorgt, dass das Land durch Eindringlinge (illegale Holzfäller, Landräuber, Personen, die illegal Palmherzen sammeln, und andere Eindringlinge) zunehmend zerstört wird. Daher beschlossen sie, selbst die Demarkierung vorzunehmen und so ihr Territorium zu schützen.
Seitdem sie mit der Demarkierung begonnen haben, veröffentlichten sie drei Erklärungen.

[1] Weitere Informationen zum indigenen Land Sawré Muybu (auf Englisch): http://www.survivalinternational.org/news/10580
http://www.theguardian.com/global-development/2014/dec/22/amazon-munduruku-indians-brazil-tapajos

[2] Was ist eine Demarkierung? (auf Englisch): http://lab.org.uk/what-is-demarcation

[3] Kurze Zusammenfassung zu den verfassungsmäßigen Rechten der indigenen Völker in Brasilien (auf Englisch): http://pib.socioambiental.org/en/c/direitos/constituicoes/introducao

[4] Link zur Handyvideo eines Redes zwischen die damalige Präsidentin der FUNAI und die Munduruku (auf Portugiesisch): https://vimeo.com/111974175

Hintergrundtext: Luísa Molina
Übersetzung: Jennifer Theodor
Überarbeitung: Birgit Schrader
Im Kollektivarbeit koordiniert durch den “São Paulos Solidaritätskomitee zur Unterstützung des Wiederstands im Tapajós-Gebiet”.


Nayana Fernandez Dokumentarfilm über den Kampf der Munduruku
Vimeo.com


Relatório Circunstanciado de Identificação e Delimitação da Terra Indígena Sawré Muybu (Pimental)/PA
Brasília, setembro de 2013
Fonte: CIMI