Dienstag, 18. Oktober 2011

Urteil im Berufungsprozess gegen Belo Monte verschoben - Installationslizenz illegal

Im Berufungsprozess einer Zivilklage im öffentlichen Interesse - im Jahr 2006 von der Staatsanwaltschaft von Pará gegen das Genehmigungsverfahren für Belo Monte eingereicht - urteilte heute (17.10.) die Bundesrichterin Selene Maria de Almeida zugunsten der Anklage und nannte das Genehmigungsverfahren für Belo Monte als illegal. Die Richterin bestätigte, dass die betroffenen indigenen Gemeinschaften nicht entsprechend vor dem Kongress angehört wurden, was verfassungswidrig ist. Außerdem sei die ILO-Konvention 169 verletzt worden.

Die Verhandlung im TRF-1 wurde jedoch nach Antrag des Richters Fagundes de Deus um Akteneinsicht unterbrochen. Dazu stehen ihm bis zu 14 Tage zur Verfügung. Bei Fortsetzung des Prozesses wird noch Richterin Maria do Carmo Cardoso an der Urteilsfällung beteiligt sein.

Bereits 2006 hatte die Staatsanwaltschaft von Pará beim Bundesgericht eine Klage gegen Belo Monte eingereicht, dass die vom Kraftwerksprojekt betroffenen indigenen Völker im Nationalkongress nicht angehört wurden, wie es die Verfassung vorsieht und was Voraussetzung für die Lizenzvergabe ist. Laut Staatsanwaltschaft dienen die Anhörungen dem Schutz der betroffenen Menschen vor Projekten, die sich in der Umsetzung als für sie nachteilig erweisen würden.

Bei der Verhandlung des Falles im Jahr 2007 hatte sich TRF-1 bereits zugunsten der Anklage ausgesprochen, aber der Bundesrichter in Altamira, Herculano Nacif, entschied, dass die indigenen Gemeinschaften auch nach der Genehmigungslizenz vor dem Kongress angehört werden könnten. Die Staatsanwaltschaft war damit nicht einverstanden und appellierte erneut an den TRF-1.

Für das Projekt Belo Monte sprachen sich die Anwälte von Eletrobrás, das brasilianische Institut für Umwelt und Natürliche Ressourcen (IBAMA) und die Bundesregierung aus. Ihr Hauptargument ist, dass keine Indigenen direkt vom Staudamm überflutet werden, weshalb nicht einmal Anhörung nötig werden. Trotzdem hätten von der Nationalen Indigenenbehörde (FUNAI) und dem Umweltinstitut (IBAMA) organisierte öffentliche Anhörungen stattgefunden.

Die MPF widerspricht diesem Argument und betont, dass die Wasserumleitung des Xingu zu einer Veränderung des Flussbeetes entlang der Großen Schleife (ca. 120 km Länge) und zu einer Austrocknung des Flusses führt, was für Menschen, die vom Fluss leben, sehr wohl entscheidende Auswirkungen hat. Weiters fordert die Staatsanwaltschaft, dass die Meinung der Indigenen bindenden Charakter für die Entscheidung des Kongresses über Belo Monte haben sollte.

Richterin Selene de Almeida sagte, dass jene öffentlichen Anhörungen, die während der Vorbereitungen zur Lizenzvergabe abgehalten wurden, nicht die in der Verfassung vorgeschriebenen Konsultationen vor dem Kongress ersetzen. Solche Anhörungen können nicht an Exekutivbehören der Regierung delegiert werden. "Öffentliche Anhörungen sind technischer Natur, während die Anhörung vor dem Kongress eine verfassungsmäßige Vorgabe ist", begründete sie ihre Aussage.

Weiters erwähnte sie die widersprüchlichen Standpunkte rund um das Kraftwerksprojekt Belo Monte sowie 15 eingebrachte Klagen, deren Verhandlungen ausständig sind. "Der Kongress hätte bereits vor der Lizenzvergabe Untersuchungsergebnisse und Daten benötigt, um das Ausmaß der Schäden, die durch ein Kraftwerk dieser Größe enstehen, abschätzen und nach Lösungen suchen zu können," sagte sie. Sie betonte, dass die Meinungen der indigenen Gemeinschaften kein Veto gegen das Projekt bedeuten, dass sie aber unbedingt zu berücksichtigen sind.

Laut Selene de Almeida ist die Lizenzvergabe nicht nur verfassungswidrig, sondern sie verstößt auch gegen ILO-Konvention 169 zum Schutz indigener Völker, die von Brasilien 1989 unterzeichnet wurde.

Sozial- und Umweltbewegungen, die gegen den Bau des Wasserkraftwerks Belo Monte auftreten, protestierten gegen den Aufschub der Urteilsverkündigung des TRF-1. In einer Aussendung weisen sie darauf hin, dass der Boom auf dem Arbeitsmarktsektor wegen der Baustellenerrichtung für Belo Monte bereits große soziale Probleme im städtischen Gebieten und bei indigenen Gemeinschaften ausgelöst hat.

"Mit jedem Tag wird Belo Monte zu einem noch giftigeren Monster. Im städtischen Bereich eskalieren Gewalt und Prostitution, unter der indigenen Bevölkerung Krankheiten und Ratlosigkeit und in der gesamten Region die Abholzung. Belo Monte führte in Altamira bereits zu einem derart unerträglichen Chaos, dass nun sogar die lokalen Behörden und Unternehmer, die anfangs das Kraftwerksprojekt unterstützt haben, für eine Überprüfung der Lizenzvergabe eintreten", heißt es im Text.

Die Verhandlung wird innerhalb von 14 Tagen fortgesetzt.

Veja a ementa do voto de Selene Maria de Almeida (PDF)

Agência Brasil, 17.10.2011
Decreto que liberou instalação da Usina de Belo Monte é considerado ilegal por desembargadora do TRF-1
Brasília – Relatora da ação que corre no Tribunal Regional Federal da 1ª Região (TRF-1) pedindo a anulação do decreto que autorizou a instalação da Usina Hidrelétrica de Belo Monte em 2005, a desembargadora Selene Maria de Almeida votou hoje (17) favoravelmente a um pedido do Ministério Público Federal no Pará (MPF-PA) que considera o decreto ilegal.
Para o MPF/PA, o fato de as comunidades indígenas afetadas não terem sido ouvidas devidamente sobre o assunto é inconstitucional. O julgamento de hoje no TRF-1, no entanto, foi interrompido depois do voto da relatora por um pedido de vista do desembargador Fagundes de Deus, que prometeu trazer o caso à discussão novamente dentro de, no máximo, 14 dias.

Agência Brasil, 17.10.2011
Movimentos sociais protestam contra adiamento de decisão sobre Belo Monte

O Globo, 17.10.2011
Desembargadora desqualifica decreto que autoriza Belo Monte
BRASÍLIA - A desembargadora do Tribunal Regional Federal da 1ª Região (TRF1) Selene Almeida declarou, ao ler o seu voto sobre o processo judicial contra Belo Monte, no rio Xingu (PA), que o Decreto Legislativo 788/2005 não cumpre os preceitos Convenção 169 da Organização Internacional do Trabalho (OIT), da qual o Brasil é signatário desde 1989.

O Estado de S. Paulo, 17/10/2011
Relatora no TRF pede anulação de decreto que autorizou Belo Monte

MPF-Site, 17.10.2011
Com 1 voto favorável ao MPF, julgamento de Belo Monte é adiado
Relatora Selene Almeida considerou inválido o decreto que autorizou a usina e o licenciamento, pela falta da consulta aos índios, mas Fagundes de Deus pediu vistas do process

Xingu Vivo, 17.10.2011
Nota: Adiamento de decisão sobre ilegalidade de Belo Monte é temeridade


ARCHIV:
Plattform Belo Monte, 26.3.2011
Bischof Erwin Kräutler nennt Belo Monte ein "Monument des Wahnsinns"
Die vier Anhörungen in Altamira, Brasil Novo, Vitória do Xingu und Belém waren nicht mehr als bloßer Formalismus, um die von der Regierung bereits getroffenen Entscheidungen zu besiegeln und das Protokoll zu erfüllen.
Bis heute sind die Indios nicht zu Wort gekommen. Die "verpflichtenden Anhörungen" der Indios vor dem Kongress haben nicht stattgefunden.